Hans-Heinrich Dieter

Deutsche Naivität   (04.07.2015)

 

Das Verhältnis Deutschlands zur westlichen Führungsmacht USA ist getrübt. Die Zusammenarbeit des US-Geheimdienstes NSA mit dem deutschen Auslandsgeheimdienst BND ist ernsthaft gefährdet. Westliche Geheimdienste stellen die Zusammenarbeit mit den deutschen Geheimdiensten wegen zahlreicher Indiskretionen und Fällen von Geheimnisverrat durch deutsche Parlamentarier - zuletzt aus dem NSA-Untersuchungsausschuss - auf den Prüfstand. Deutschland ist nicht nur im Zusammenhang mit der Wahrnehmung sicherheitspolitischer Verantwortung, sondern nun auch in Geheimdienstangelegenheiten ein "unsicherer Kantonist". Das wird sich sehr nachteilig auf unsere Sicherheit auswirken - insbesondere angesichts der zunehmenden Bedrohung durch islamistischen Terror.

Die Ursachen für diesen unbefriedigenden Zustand unserer Gesellschaft sind vielfältig. Zunehmend große Teile unserer Bevölkerung sind politisch ungebildet, deswegen naiv und glauben den Medien noch, auch wenn sie immer mehr das Vertrauen verlieren. Die Diskussionskultur in Deutschland ist verkommen. Argumente, die nicht dem mainstream entsprechen, werden abgewürgt, in eine rechte Ecke verbannt oder mit Moralkeulen ideologisch totgeprügelt. Sachliche Diskussion ist immer seltener möglich. Auch öffentlich-rechtliche Medien, die für Qualitätsjournalismus bezahlt werden, haben ihren Anteil an dieser kulturell miserablen Situation. Meinungen und Nachrichten werden häufig vermischt und offensichtlich "abhängige" Journalisten gestalten tendenziöse Meinungsmache anstatt ihren Bildungs- und Informationauftrag zu erfüllen. Mutmaßungen, Spekulationen, Unterstellungen, Skandalisierungen überwiegen nicht selten die sachliche Information und Sachdiskussionen.

Und die von den Medien durch die Berliner Manege getriebenen Politiker verschärfen das Dilemma. Viele Politiker können an einem Mikrofon nicht vorbeigehen, ohne den Versuch zu wagen, sich zu profilieren. Obwohl zum Beispiel das Parlamentarische Kontrollgremium geheim tagt, gibt es immer wieder Meldungen über den Inhalt der Sitzungen. Manchmal geben die Mitglieder nach den Treffen sogar Pressekonferenzen. Eine Reihe von Politikern sind dabei ein gefundenes Fressen für Journalisten und bereit, Indiskretionen zu begehen, ohne möglicherweise richtig einzuschätzen, dass es sich bei ihrer Indiskretion um Geheimnisverrat handelt. Andere Politiker stechen Geheimnisse bewusst in die Medien durch und die Journalisten können leider für Beihilfe zum Geheimnisverrat nicht mehr belangt werden. Politiker der Opposition haben erkennbar kein Interesse daran, Schaden von der Bundesrepublik Deutschland abzuwenden, im Gegenteil. Ein Teil der Linke-Politiker vermittelt das Gefühl, dass sie sich mit der Stasi eigentlich wohler fühlen würden, als mit dem Verfassungsschutz oder dem BND, dem sie "Landesverrat" vorwerfen, und deswegen fordern sie ja auch die Abschaffung der deutschen Nachrichtendienste. Die Linke und die Grünen schüren massiv Antiamerikanismus und tun so, als ob Deutschland sich den USA total unterwerfe. Teile der SPD bereiten sich ganz offensichtlich auf eine Rot-Rot-Grüne Koalition vor und beteiligen sich als Opposition in der Großen Koalition an diesem unwürdigen parteipolitischen Spiel. Und wenn André Hahn, ehemaliges SED-Mitglied und jetzt Abgeordneter der Linken den Vorsitz des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) hat, das für die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes zuständig ist, und den Bundesnachrichtendienst (BND), den Militärischen Abschirmdienst (MAD) und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) überwacht, dann darf man sich eigentlich wirklich nicht darüber wundern, dass westliche Partnernachrichtendienste ein starkes Aufklärungsinteresse haben und feststellen wollen, wie vertrauenswürdig Deutschland als möglicher Partner auch in der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit ist.

Die nachrichtendienstliche Zusammenarbeit Deutschlands und Amerikas ist sicher nicht so schlecht, so einseitig, so skandalös, wie es Opposition und Teile der SPD behaupten. Der BND und das Bundeskanzleramt wissen seit vielen Jahren, dass die mächtigen amerikanischen Dienste zu Übergriffen neigen. Und jeder realistisch denkende Bürger kann sich vorstellen, dass Nachrichtendienste ihre technischen Möglichkeiten im Rahmen ihrer Gesetze zum Wohle und entsprechend der Interessen ihres eigenen Landes ausschöpfen. Und deswegen geht es bei nachrichtendienstlicher Zusammenarbeit auch nicht um Freundschaft sondern um die jeweiligen Interessen nach dem Grundsatz keine Leistung ohne Gegenleistung. Wenn in der Zusammenarbeit Fehler passiert sind, dann müssen sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit und Wahrung der gebotenen Geheimhaltung aufgeklärt und Abhilfe geschaffen werden.

Inflationäre „Enthüllungen“ von selbsternannten Recherche-Verbünden, deren Arbeit nicht kontrolliert und deren Ergebnisse nicht verifiziert werden können und die deutlich werdende maßlose Lust der Medien an Sensationen und vermuteten Skandalen behindern die Aufklärung von Fehlverhalten und die erforderliche Abhilfe. Tägliche Spekulationen, Vermutungen und Unterstellungen beschädigen außerdem die Mitarbeiter des BND und der Nachrichtendienste ganz allgemein. Und wer wie die Linke und die Grünen bei einem schwerwiegenden Cyber-Angriff auf den Deutschen Bundestag ausgerechnet dem Bundesamt für Verfassungsschutz, das für die Spionageabwehr zuständig ist, den Zugang zum Bundestag verweigert, dokumentiert vor der Öffentlichkeit, dass kein Interesse an sachgerechter Aufklärung besteht.

Und wenn die Medien zusammen mit der Opposition und den Sozialdemokraten amerikakritische Ressentiments schüren und so tun, als ob von amerikanischen Diensten die größte Bedrohung für die deutsche Sicherheit ausgeht, dann sind sie uninformiert, naiv oder informieren bewusst einseitig unter Vernachlässigung der wirklichen Bedrohung unserer Sicherheit durch das zunehmend aggressive Russland allgemein und China bei wirtschftlichen Interessen. Mit der permanenten Herabwürdigung der Arbeit deutscher Geheimdienste sowie der Verunglimpfung der Zusammenarbeit mit den USA leisten Opposition und Medien dem islamistischen Terrorismus Vorschub. Islamisten werden sich in einem weniger sicherheitsbewussten, nachrichtendienstlich isolierten und multikulti-naiven Deutschland nicht nur als "Schläfer" wohl fühlen und bei Zeiten Erfolg suchen.

Deutsche Nachrichtendienste haben - wie bereits zugestanden - Fehler gemacht und der US-Geheimdienst NSA hat möglicherweise über seine Befugnisse hinaus aufgeklärt. Wenn solche Fehler auftauchen, dann muss geprüft, recherchiert, ermittelt, aufgeklärt, der Schaden bewertet und dann daraus die rechtliche und organisatorische Konsequenz gezogen werden. Über das Ergebnis der Ermittlungen und die getroffenen Maßnahmen sollen dann die Medien die Öffentlichkeit informieren. Derzeit wird ins Blaue hinein spekuliert, die Sacharbeit behindert, Schaden an Menschen angerichtet und die Öffentlichkeit aufgepeitscht.

Deutschland verhält sich in der sogenannten BND- oder NSA-Affäre höchst unprofessionell, naiv und politisch sehr unklug. Intelligence wird von vielen deutschen Politikern und von vielen Medien sehr wenig intelligent und deswegen die Sicherheit gefährdend gehandhabt. Da kann man auch durchaus der Auffassung sein, dass der BND-Skandal in Wahrheit auch ein Oppositions- und Medienskandal ist, und dabei muss die Opposition innnerhalb der Großen Koalition eingeschlossen werden. Es ist hohe Zeit, dass Deutschland zu einem sachgerechten Umgang mit den deutschen Nachrichtendiensten findet, Mängel und Fehler der eigenen Geheimdienste aufklärt, Abhilfe schafft und die Zusammenarbeit mit den USA für die Zukunft so regelt, dass deutsches Recht nicht gebrochen wird.

Wir sind nicht nur auf die nachrichtendienstliche Zusammenarbeit mit den USA dringend angewiesen. Deswegen sind unaufgeregte selbstbewusste politische Sacharbeit und diplomatisches Geschick gefragt - aber keine hysterische Skandalisierung!

(04.07.2015)

 

 

nach oben

 

zurück zur Seite Klare Worte