Hans-Heinrich Dieter

Bundeswehr in der Corona-Krise   (15.04.2020)

 

In der Corona-Krise sind „systemrelevante“ Kräfte besonders gefordert, auch die Bundeswehr. Seit Anfang April hält die Streitkräftebasis 15.000 Soldaten bereit, die in kürzester Zeit in den Anti-Corona-Einsatz geschickt werden können.

Die Kräfte sind nach Fähigkeiten gegliedert:

  • 5500 Soldaten für „Absicherung/Schutz“
  • 6000 für „Unterstützung der Bevölkerung“
  • 600 Militärpolizisten der Feldjäger für „Ordnungs-/Verkehrsdienst“
  • 18 Dekontaminationsgruppen mit etwa 250 Soldaten für Desinfektions-aufgaben
  • 2500 Logistiksoldaten mit 500 Lastwagen für „Lagerung, Transport, Umschlag“

Für den Einsatz dieser Kräfte hat die Bundeswehr einen Plan erarbeitet und es stehen vier regionale Führungsstäbe bereit, um die Einsätze zu leiten.

Darüber hinaus leistet der Sanitätsdienst der Bundeswehr Unterstützung. Die fünf Bundeswehrkrankenhäuser stellen derzeit rund 80 Prozent ihrer Kapazitäten für die zivile Gesundheitsversorgung zur Verfügung. Außerdem werden mobile Einheiten des Sanitätsdienstes in Bereitschaft gehalten. Der Sanitätsdienst und die Streitkräftebasis unterstützen auch beim Aufbau von Behelfskrankenhäusern in Berlin und Hannover. Dazu kommt die Unterstützung von NATO-Partnern wie Frankreich und Italien beim Lufttransport von Covid-19 erkrankten Intensivpatienten zur Versorgung in deutschen Krankenhäusern.

Die Zahl der Anfragen an die Bundeswehr wächst täglich. Mal fragt ein Landrat nach 3000 Schutzmasken, 10.000 Schutzkitteln und 250 Portionen von Desinfektionsmittel aus Bundeswehrlagern. Ein Landes-Katastrophenschutzamt bittet um 200 Feldbetten. Die Feuerwehr in Bayern möchte schnell ein Corona-Callcenter einrichten und bittet die Bundeswehr um technische und materielle Unterstützung. Ein bayerisches Landratsamt fragt an, ob die Bundeswehr zehn bewaffnete Soldaten abstellen kann, um ein Lager des THW für Schutzmasken und Sanitätsmaterial rund um die Uhr abzusichern. Und in Baden-Württemberg überlegt man offensichtlich, ob wegen des katastrophalen Personalstands bei der Polizei ganz offiziell der Notstand erklärt und die Bundeswehr angefordert werden soll.

Die Bundeswehr ist personell unterbesetzt und derzeit mit den aktuellen Auslandseinsätzen - in Mali, Afghanistan, Irak, Syrien und Litauen – ausgelastet und hat außerdem die Einsatzfähigkeit für Landes- und Bündnisverteidigung im Rahmen der NATO wiederherzustellen. Nun kommt die ständig wachsende Zahl von Amtshilfeanträgen ziviler Stellen im Rahmen der Corona-Krise hinzu. Da kann es schnell zu Ãœberlastungen kommen, auch wenn man in Betracht zieht, dass zum Beispiel die Material- und Personalressourcen des militärischen Sanitätsdienstes weniger als ein Prozent der Ausstattung des deutschen Gesundheitswesens ausmachen. Und es muss immer berücksichtigt werden, dass das Grundgesetz für den Einsatz der Bundeswehr im Inneren sehr enge rechtliche Grenzen setzt.

Denn nur wenn die für die Gewährleistung der Inneren Sicherheit vorgesehenen Sicherheitskräfte nicht ausreichen, kann die Bundeswehr heute auf der Grundlage der Artikel 35 (Katastrophenhilfe) und 87a (Innerer Notstand) des Grundgesetzes – ohne Einsatz von Kriegsgerät - helfen. Die Streitkräfte haben das auch bei Katastrophen mehrfach erfolgreich unter Beweis gestellt. Der Einsatz der Bundeswehr im Innern ist also insgesamt an sehr strenge Voraussetzungen geknüpft.

Die Verantwortlichkeit der Polizei für die Gewährleistung der inneren Sicherheit ist gesetzlich klar geregelt. Die Beschränkung der Bundeswehr auf die Gewährleistung der äußeren Sicherheit ist wohl begründet und sinnvoll. Die Sicherheitslage hat sich aber inzwischen verändert und die Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit verschwimmen. Daher ist es angebracht, eine intensive sicherheitspolitische Diskussion über mögliche Beiträge der Bundeswehr bei der Abwehr von Terrorgefahren und in Katastrophenfällen zu führen und dafür gegebenenfalls die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen.

Dabei müssen allerdings folgende Fakten und Forderungen berücksichtigt werden:

1. Die über Jahre unterfinanzierte Bundeswehr ist augenblicklich und auf nicht absehbare Zeit in ihrer Einsatzfähigkeit eingeschränkt.

2. Die Bundeswehr ist nach der überhasteten Aussetzung der Allgemeinen Wehrpflicht personell noch nicht wieder voll aufgestellt und trotzdem mit einer Vielzahl von Einsätzen stark belastet.

3. Die Bundeswehr ist für die Gewährleistung der äußeren Sicherheit militärisch ausgebildet und mit Kriegswaffen ausgerüstet. Für eigenverantwortliche Einsätze im Inneren fehlen gesetzliche Rahmenbedingungen, Ausbildung und Ausrüstung.

4. Die Soldaten der Bundeswehr dürfen nicht als ”Hilfspolizisten” missbraucht werden, um für die ebenfalls über Jahre unterfinanzierten Polizeikräfte Lücken zu füllen.

5. Die Soldaten der Bundeswehr sollten nicht regulär - wie im Rahmen der Flüchtlingshilfe - Personallücken bei Ämtern und Behörden füllen, oder gar als „Wach- und Schließdienste“ für Flüchtlingsunterkünfte oder als Placebo-Streifen in Fußgängerzonen und auch nicht zur Verhinderung von Corona-Partys Hilfsarbeiteraufgaben erledigen müssen.

Es ist gut und anerkennenswert, dass die Bundeswehr ihren Möglichkeiten und Fähigkeiten entsprechend und im Rahmen der rechtlichen Grenzen in der Corona-Krise hilft. Vielleicht erkennen ja Teile der deutschen Bevölkerung, die den Staatsbürgern in Uniform ja höchstens ein freundliches Desinteresse entgegenbringen, dass auch Soldaten „systemrelevant“ sind und Wertschätzung verdienen. Und vielleicht erkennen einige deutsche Staatsbürger, dass die Forderung der Friedensbewegten „nach Abrüstung“ – die drastische Erhöhung der Rüstungsausgaben sei falsch, es wäre besser gewesen, das viele Geld in Bereiche wie das Gesundheitswesen zu investieren - im Rahmen der jüngsten Osterproteste absurd ist. Denn eine kaputtgesparte Bundeswehr kann weder im Katastrophenfall und bei Innerem Notstand effektiv helfen, noch in wichtigen Auslandseinsätzen und im Rahmen der NATO die für unsere Gesellschaft so wichtige äußere Sicherheit erfolgreich und nachhaltig gewährleisten. Und vielleicht berücksichtigen die deutschen Parlamentarier den dringenden Bedarf ihrer Parlamentsarmee bei der mittelfristigen Finanzplanung für die kommenden Haushalte. Das wird allerdings angesichts der Schuldenlast, die wir im Augenblick aufhäufen, eine schwierige aber wichtige Aufgabe werden!

(15.04.2020)

 

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