Hans-Heinrich Dieter

Augenwischerei   (16.12.2015)

 

Das Zustimmungsergebnis auf dem CDU-Parteitag zu Merkels umstrittener Flüchtlingspolitik gleicht nach der fruchtbaren Debatte im Vorfeld schon realsozialistischen Verhältnissen, wie man sie aus DDR-Zeiten kennt. Es gab lediglich zwei mutige Stimmen, die sich kritisch zu Wort meldeten, der Fraktionsvize Vaats und der Vertreter des Mittelstandes Linnemann. Alle anderen Parteidelegierten sind offenbar regelrecht gleichgeschaltet - und kaum einen Demokraten regt das auf! Während Merkel für ihre, das Wohl des deutschen Volkes schädigende, Politik neunminütigen stehenden Beifall bekam, haben die beiden Kritiker am Abend beim Abschlussbier sicher schwere Stunden verlebt, denn sie sind längst in die „konservative“, sprich rechtslastige Ecke gedrängt - von ihren christlichen, inzwischen aber eher sozialdemokratisch oder hellgrün orientierten „Parteifreunden“.

Da ist es an der Zeit, sich nach dem Charakter der CDU zu fragen. Frau Merkel ist in einem streng sozialistischen Haushalt der DDR sozialisiert worden. Sie ist in ihrer ganzen Jugend mitgelaufen und hat im Staatsgefängnis DDR mitgemacht. Dabei ist es bei der Bewertung relativ gleichgültig, ob sie aus Ãœberzeugung oder aus Opportunismus mitgemacht hat. Das Ganze gipfelt in Merkels Tätigkeit als Funktionärin und FDJ-Sekretärin für Agitation und Propaganda während ihrer Tätigkeit an der Akademie der Wissenschaften. Hier entsteht eher das Bild - positiv betrachtet - einer Reformsozialistin als das einer Aktivistin im „Demokratischen Aufbruch“. Unterm Strich scheint Frau Merkel vom Charakter her ein richtiger Wendehals zu sein.

Frau Merkel ist deutsche Bundeskanzlerin ohne erkennbare politische Vision. Sie fährt auf parteipolitische Sicht, wartet die Entwicklung des politischen Geschehens ab, ist dabei im Aussitzen nahezu noch besser als H. Kohl und handelt zeitgerecht, immer am eigenen politischen Machterhalt und dann auch noch an den CDU-Interessen orientiert. Dabei ist sie eine gewiefte Taktiererin. Sie hat talentierte CDU-Politiker, die von ihrer politischen Statur her auch „Kanzler könnten“, zum Nachteil der CDU weggebissen. Dem politischen Gegner macht sie das Leben schwer, indem sie skrupellos grüne und linke Themen besetzt. Es stört sie offenbar wenig, dass die CDU dabei ihren eher staatserhaltenden, Wirtschaft und Wohlstand fördernden Kurs verlässt und rechten Gruppierungen schon Teile der politischen Mitte überlässt. Ihr geht es - höchst flexibel - hauptsächlich um Machterhalt und da ist ihr wohl so ziemlich jedes Mittel recht. Merkel ist inzwischen die geradezu absolutistisch agierende Vorsitzende von mehrheitlichen CDU-Mitgliedern, die sich offenbar als karriereorientierte Abnicker, Claqueure und Schönfärber verstehen, weil es auch ihnen weniger um die Sache als hauptsächlich um den Machterhalt zu gehen scheint - und der ist augenblicklich nur mit Merkel gewährleistet. Diese CDU ist für konservative Bürger nur noch schwer wählbar.

Für das Wohl des deutschen Volkes - also für die Sache - hat Kanzlerin Merkel - und mit ihr die CDU - teilweise schlecht gearbeitet. Nach der Katastrophe von Fukushima am 11.März 2011 hat die wendige Kanzlerin Merkel die diffuse Angst deutscher Bürger genutzt und geschürt, um kurz vor der Landtagswahl in Baden Württemberg - ein Schelm, der Gutes dabei denkt - mit dem hektischen, konzeptions- und planlosen Ausstieg aus der Kernenergie ohne Absprache und Koordination mit der EU und unseren Partnern eine 180-Grad-Kursänderung in der Energiepolitik zu vollziehen.

Dabei gibt es keine einfachen Lösungen für die Energieversorgung unserer Industriegesellschaft unter Berücksichtigung des Umweltschutzes, die hektisch angestrebt werden können. Und alle Lösungsversuche über einen überhasteten Atomausstieg bleiben Stückwerk, solange unsere europäischen Nachbarn ihre Atomkraftwerke mit schlechterem Sicherheitsstandard weiter betreiben. Unsere Nachbarn reagierten denn auch mit Unverständnis, Spott, gelegentlichem Mitleid oder auch klammheimlicher Freude, wegen der absehbaren ökonomischen und politischen deutschen Selbstbeschädigung. Denn die Verantwortung Deutschlands als bedeutendste Wirtschaftsmacht Europas bedingt auch, dass Deutschland sein Wirtschaftspotenzial erhält und für gleiche ökonomische und ökologische Bedingungen im Wirtschaftsraum Europa sorgt. Die deutsche Bevölkerung darf durch energiepolitische deutsche Alleingänge ohne Zugewinn an Sicherheit und bei gleichbleibenden Risiken in Europa nicht beeinträchtigt und benachteiligt werden. Hier ist Merkel ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden. Die ziemlich verfahrene Energiewende zu Lasten der Steuerzahler ist da Beleg genug.

Ein weiteres Beispiel für die „Wendigkeit“ der Kanzlerin Merkel sind ihre Aussagen zum Islam. Nach den geschichts- und wertevergessenen Aussagen des Merkelschen Fehlgriffs Wulff, wonach der Islam zu Deutschland gehöre, hat Merkel die Aussage nicht bestätigt sondern erfreulicherweise 2010 dem Multikulti-Konzept eine Absage mit den Worten erteilt: "Natürlich war der Ansatz zu sagen, jetzt machen wir hier mal Multikulti und leben so nebeneinander her und freuen uns übereinander: Dieser Ansatz ist gescheitert, absolut gescheitert". Sie wollte damit die Integration von Migranten in unsere Gesellschaft verbessern. Umso enttäuschender war es dann, dass Frau Merkel im Rahmen des Besuchs des neu gewählten türkischen Ministerpräsidenten Davutoglu die Aussage Wulffs bestätigte: „Der Islam gehört zu Deutschland - und das ist so, dieser Meinung bin ich auch“. Die Kanzlerin interessierte es offenbar nicht, dass eine Mehrheit der deutschen Bürger der Auffassung ist, der Islam passe nicht in die westliche Welt. Merkel will die deutlichen kulturellen Unterschiede und die teilweise Unvereinbarkeit des Alleinvertretungsanspruches des Islam mit der Demokratie und unserem Grundgesetz aus Opportunismus der Türkei gegenüber nicht zur Kenntnis nehmen. Jetzt hat sie - diesmal erfreulich wendehälsig - folgende Sätze im Leitantrag der CDU als ihre langjährige politische Position verkauft: „Die bei uns lebenden Muslime sind heute ein Teil Deutschlands. Dazu gehört inzwischen auch ein Islam, der auf der Basis unserer freiheitlichen Grundordnung gelebt wird.“ In der Politik geht es ja neben dem Machterhalt immer auch um Gesichtswahrung. Aber wie will man das Gesicht wahren, wenn man an Glaubwürdigkeit und Gesicht längst eingebüßt hat?

Und in der Flüchtlingskrise haben wir es dann ganz offensichtlich mit wiederholter politischer Fehlleistung der Kanzlerin zu tun. Denn Merkels Entscheidung im September 2015, Flüchtlinge aus Ungarn nicht registriert ins Land zu lassen, war ein beispielloser politischer Fehler. Mit dieser Entscheidung wurden die Regeln der Dubliner Vereinbarung gebrochen, auf die die Kanzlerin sonst so vehement pocht. Dann waren wir durch die schiere Anzahl der ankommenden Flüchtlinge überfordert und haben die Flüchtlinge nicht registriert weiterreisen lassen. Dadurch haben wir erneut gegen die EU-Regeln verstoßen. Wenn Kanzlerin Merkel dann öffentlich feststellt, dass Flüchtlinge aus Syrien auf keinen Fall zurückgeschickt werden, dann ist das wie ein Persilschein für alle Asylsuchenden aus dem Bürgerkriegsland und den Flüchtlingslagern der angrenzenden Staaten. Unser Asylrecht sieht aber vor, dass jedes Asylgesuch einer Einzelfallprüfung zu unterziehen und nach Recht und Gesetz zu entscheiden ist. Wenn dann Ministerpräsidenten und Kommunalpolitiker von Ãœberforderung sprechen und zum Ausdruck bringen, dass wir in Deutschland im Hinblick auf die Flüchtlinge die Kontrolle verloren haben, dann kontert unsere neuerdings gefühlsdominierte Bundeskanzlerin öffentlichkeitswirksam: „Wir schaffen das!“ und „Das Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte kennt keine Obergrenze.“

Merkel ist offensichtlich nicht groß und souverän genug, auch einmal Fehler einzugestehen. Sie wiederholt ihre Sprüche und Mantras bis zum Erbrechen und wenn dann die Kritik unüberhörbar wird, windet und wendet sie sich ganz allmählich und akzeptiert im ständigen semantischen Streit um Begriffe endlich Formulierungen, mit denen sie glaubt behaupten zu können, sie verfolge unbeirrt, standhaft, aufrecht sowie mit Rückgrat und Empathie die gleiche Politik wie im September. Die CDU-Mitglieder mögen ihr glauben, aufgeklärte und mündige Bürger glauben solcher Augenwischerei schon lange nicht mehr.

Merkel bleibt beim Mantra „Wir schaffen das!“ und erklärt warum: „Ich kann das sagen, weil es zur Identität unseres Landes gehört, Größtes zu leisten.“ Unsere Kanzlerin mag an diese eigene Propaganda glauben, die Bürger vor Ort und die zuständigen Kommunalpolitiker und Ordnungshüter glauben ihr nicht. Denn die Flüchtlingswelle trifft auf ein Land, das daran krankt, dass Regeln und Gesetze nicht konsequent angewandt und durchgesetzt werden. Unsere Bildungs- und Sozialeinrichtungen sind nur begrenzt aufnahmefähig. Unser Sozialsystem ist sehr leistungsfähig aber auf Normalsituationen zugeschnitten. Unser Land leidet schon heute unter der in weiten Teilen fehlgeschlagenen Integration muslimischer Migranten.

Aber wie soll man Merkel glauben, dass wir es schaffen, wenn sie im Nachsatz immer wieder darauf hinweist, dass es eine europäische Lösung geben muss, um - natürlich ohne Obergrenzen - die „Zahl der Flüchtlinge spürbar zu reduzieren“. Wer allerdings in den letzten Wochen die Diskussion der Flüchtlingsthematik in der EU verfolgt hat, weiß, dass es eine zufriedenstellende Kontingentlösung nicht geben wird. Wer sich kritisch mit dem Vorschlag des Einsatzes einer FRONTEX-Truppe, gegebenenfalls zu Lasten der Souveränität der Mitgliedstaaten, kritisch befasst, kommt zum Schluss, dass es sich hier um Illusionen, Augenwischerei, oder weil es ja hauptsächlich um den Nahen und Mittleren Osten geht, um eine Fata Morgana handelt.

Erfolg wird in der Politik an Ergebnissen gemessen. Wenn Frau Merkel in absehbarer Zeit keine messbaren Erfolge bei der Reduzierung der Migrantenzahl und bei der Bewältigung der realen Probleme vor Ort aufzuweisen hat, wird sie sich vorwerfen lassen müssen, mit Augenwischerei und schlechter Politik maßgeblich zu einem Rechtsruck in Deutschland beigetragen zu haben.

Ich habe keine Existenzängste im Hinblick auf mich und meine Kinder. Ich mache mir aber angesichts des Zustandes Europas und der deutschen Politik in der Flüchtlingsfrage Sorgen um die Zukunft unserer Enkel!

(16.12.2015)

 

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