Hans-Heinrich Dieter

Asyl für türkische NATO-Soldaten?   (30.01.2017)

 

40 bei der NATO in Europa eingesetzte türkische Soldaten - vorwiegend ranghohe Offiziere - haben in Deutschland Asyl beantragt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und auch das Bundesinnenministerium wollen diese Anträge natürlich behandeln wie andere Asylfälle auch. Denn gemäß Artikel 16a des Grundgesetzes genießen politisch Verfolgte Asylrecht in Deutschland. Die Türkei wirft den NATO-Soldaten offenbar vor, Teil der Organisation des islamischen Predigers Gülen zu sein, die von Erdogan - unbewiesen - für den Putschversuch in der Türkei im Juli 2016 verantwortlich gemacht wird.

Der türkische Verteidigungsminister Isik hat Deutschland umgehend zur Ablehnung aller Asylanträge von türkischen Soldaten aufgefordert und anderenfalls mit „ernsten Folgen“ gedroht - zum Beispiel die Beendigung des Türkei-Deals. Allein wegen dieser Drohung, die auch als Erpressungsversuch gewertet werden kann, sollte der türkische Botschafter ins Außenministerium zitiert werden, um ihm das Missfallen Deutschlands auszudrücken - dazu wird es mit Merkel und Gabriel leider nicht kommen. Aber dieser Fall zeigt auch, wie weit die Türkei sich schon von rechtsstaatlichen Vorstellungen entfernt hat. Weder Erdogan, noch der türkische Außenminister Cavusoglu und sein Kollege, Verteidigungsminister Isik, verstehen offenbar, dass es sich bei der Behandlung von Asylanträgen um ein rechtliches Verfahren handelt, bei dem politische Erwägungen keine Rolle spielen dürfen. Die rechtliche Prüfung liegt in den Händen unserer unabhängigen Justiz - eine politische Einflussnahme verbietet sich.

Wenn unsere unabhängige Justiz - wie in anderen Fällen schon in Griechenland entschieden - zum Urteil kommt, dass es sich bei den Offizieren tatsächlich um „politisch Verfolgte“ handelt, die in der Türkei kein rechtsstaatliches Verfahren zu erwarten haben sondern Folter und rechtliche Willkür, und deswegen Asyl gewährt werden muss, dann müsste das zwangsläufig zur Folge haben, dass die Beitrittsverhandlungen der EU mit der nicht mehr rechtsstaatlichen Türkei sofort zu beenden sind. Kanzlerin Merkel reist am Donnerstag in die Türkei und könnte dem islamischen Möchtegern-Sultan Erdogan eine rechtsstaatliche Nachhilfestunde geben. Das ist allerdings höchst unwahrscheinlich.

Merkel gibt sich vielmehr erschreckend unterwürfig gegenüber dem türkischen Machthaber Erdogan. Auf ihrer einsamen Suche nach einer europäischen Notlösung in der Flüchtlingskrise unterstützte Merkel zunächst durch einen Besuch bei Erdogan den Wahlkampf der AKP. Danach hofierte die deutsche Kanzlerin den autokratisch agierenden Erdogan und die wenig vertrauenswürdige Türkei gleich durch mehrere nicht mit der EU abgestimmte Bittstellerbesuche und trug so dazu bei, dass dem zunehmend autoritären Regime ungerechtfertigte Zugeständnisse gemacht wurden. Gleichzeitig brüskierte sie die demokratische Opposition in der Türkei, weil sie bei ihren Besuchen zur Menschenrechtslage, zur Unterdrückung der Meinungs- und Pressefreiheit und zur unverhältnismäßigen Bekämpfung der Kurden keine kritischen Worte fand und eher wie eine Opportunistin wirkte.

Die demokratische Opposition erwartet von Merkel in der sehr schwierigen politischen Situation nichts mehr. Denn Erdogan regiert aufgrund der mehrfach verlängerten Notstandsregelung per Dekret und pflegt einen zunehmend autoritären und autokratischen Stil. Er hat das türkische Parlament um große Teile der Opposition reduziert und so seine Vorschläge zu Gesetzesänderungen durchgeboxt, die die teilweise Entmachtung der Volksvertretung bewirken und ein Präsidialsystem installieren sollen. Dass Merkel Erdogan kurz vor dem Referendum - wahrscheinlich artig - ihre Aufwartung macht, wird die Opposition als Unterstützung Deutschlands für die Einführung des Präsidialsystems in der Türkei werten, denn es hat sich der Eindruck verfestigt, dass Deutschland dem autoritär agierenden Präsidenten Erdogan opportunistisch in die Hände spielt. Und die Demokraten in der Türkei wissen, dass Erdogan diese „Unterstützung seines Plans“ durch Deutschland innenpolitisch rücksichtslos als Erfolg ausschlachten wird.

Diese Türkei hat eine Mitgliedschaft in der EU schon lange unmöglich gemacht!

(30.01.2017)

 

 

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